Arbeitsplätze in einer sicheren Umgebung: Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Svenja Schulze auf einer Kakaoplantage in Ghana / dpa

Sparpläne der Ampel - Entwicklungshilfe abschaffen?

Das Sparpaket der Ampel-Regierung sieht auch massive Kürzungen bei der Entwicklungshilfe vor. Mittel für internationales Engagement generell zu streichen, ist allerdings der falsche Weg. Sie müssen aber positive Effekte in den Partnerländern erzielen und unseren Interessen nutzen.

Stefan Liebing

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Stefan Liebing ist Geschäftsführender Gesellschafter der Investment- und Projektentwicklungsfirma Conjuncta mit Sitz in Hamburg und seit 2012 ehrenamtlicher Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Er unterrichtet als Honorarprofessor für Außenwirtschaft an der Hochschule Flensburg.

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Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Honorarprofessor an der Universität Stellenbosch (Südafrika) und Mitglied des CESifo Research Network.

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Von den Protesten um Agrardiesel weitgehend überlagert und daher öffentlich kaum wahrgenommen, sieht das Sparpaket der Ampelkoalition auch vor, dass 800 Millionen für „internationales Engagement“ gestrichen werden sollen. Diesen Betrag müssen das Auswärtige Amt, das Wirtschafts- und das Entwicklungsministerium gemeinsam aufbringen, die Hälfte davon entfällt auf das Budget von Ministerin Svenja Schulze (SPD)

Diese Entscheidung hat Kritiker aus beiden Richtungen auf den Plan gerufen. Erwartungsgemäß sehen viele Akteure bei Linkspartei, Grünen und SPD die Kürzung kritisch. FDP-Vize Kubicki hingegen fordert, das Niveau der deutschen Entwicklungsausgaben auf das von Nachbarländern zu reduzieren und daher noch viel mehr zu kürzen. Und in der Tat ist Deutschland das Land, das weltweit den vierthöchsten Anteil seines BIP für Entwicklungshilfe ausgibt, in absoluten Beträgen sogar die Nummer zwei nach den USA. FDP-Politiker Christoph Hoffmann, amtierender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses des Bundestags, widerspricht Kubicki, ist jedoch der Meinung, dass wohl eine Milliarde Einsparpotential drin sein müsste. Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) schlägt vor, den Haushalt des BMZ kritisch zu prüfen und Entwicklungsprojekte stärker an nationalen Interessen auszurichten.

Die Lage ist jedoch komplexer, als es die Zeitungsüberschriften der vergangenen Wochen vermuten lassen. Zunächst einmal ist internationales Engagement wichtig. Deutschland erarbeitet rund die Hälfte seines BIP durch den Export von Gütern und Dienstleistern. Millionen Arbeitsplätze im Land hängen davon ab, dass Kunden im Ausland unsere Produkte kaufen können und wollen. Und dass sichere Verhältnisse in Afrika oder im Nahen Osten für Deutschland auch deshalb von Interesse sind, weil Migrationswellen viel stärker werden, wenn vor Ort Instabilität oder Krieg herrscht, liegt auf der Hand. Stabiles Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern generiert kaufkräftige Mittelschicht und neue Absatz- und Investitionsmärkte für deutsche Unternehmen und damit letztlich auch höhere Steuereinnahmen. Wenn Deutschland sich international einmischt, dann helfen wir also nicht nur selbstlos, sondern wir verfolgen lebenswichtige eigene Interessen. Es greift deshalb also zu kurz und würde uns nur schaden, wenn wir unsere internationale Präsenz und unseren Einfluss aus kurzfristigen innenpolitischen Überlegungen heraus zurückfahren würden.

Deutschland gibt weltweit den vierthöchsten Anteil seines BIP für Entwicklungshilfe aus

Kritisch zu bewerten ist allerdings, wie wir dieses internationale Engagement bislang betrieben haben. Zinsgünstige Entwicklungskredite an China oder Indien helfen unseren oben beschriebenen Interessen ebensowenig wie pauschale Schuldenerlasse für Entwicklungsländer, Genderprojekte oder Zuschüsse für Konsumausgaben in die allgemeinen Staatshaushalte. Wenn nun also Stimmen laut werden, die deutliche Kürzungen bei solcherlei Projekten fordern, dann ist das stimmig und nachvollziehbar. Es gibt umfangreiche wissenschaftliche Evidenz für die These, dass diese Form der Entwicklungshilfe in der Vergangenheit kaum dauerhaft positive Effekte erzielt hat.

Deutschland hat sich – wie viele andere Länder der Welt – darauf verpflichtet, 0,7 Prozent seines BIP für Entwicklungshilfe auszugeben (sog. Official Development Assistance, ODA-Quote). Wir sind das einzige große Land weltweit, das diese Verpflichtung regelmäßig einhält und sogar übererfüllt; nur in Skandinavien und Luxemburg ist man – aus strategischen am Eigeninteresse orientierten Erwägungen heraus – großzügiger. Das Problem ist, dass „Official Development Assistance“ all die oben beschriebenen weitgehend wirkungslosen Projekte beinhaltet. Das definierte Ziel, möglichst viel Geld unabhängig von der erreichten Entwicklungswirkung auszugeben, ist also von vornherein falsch. Es wäre allerdings kurzsichtig, die Mittel im Rahmen allgemeiner Sparmaßnahmen einfach ersatzlos zu streichen.

 

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Notwendig ist vielmehr eine Debatte, was Entwicklungspolitik erreichen soll und wie das unseren Interessen gerecht wird. Und hier scheint die Schaffung von Sicherheit und von Wirtschaftswachstum ganz oben zu stehen. Beides sind elementare Voraussetzungen für die Verringerung des Migrationsdrucks ebenso wie für den Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen. Der britische Entwicklungsökonom Paul Collier regt an, Entwicklungshilfe für Infrastrukturprojekte – entsprechend der Bedürfnisse der Empfänger – zu verwenden. So könnten die Entwicklungshilfemittel komplementär zu den Direktinvestitionen aus den Geberländern wirken. Dies ist aber gerade in Deutschland nicht der Fall – die Entwicklungshilfe fließt mehrheitlich in die Länder, die von deutschen Investoren gemieden werden. 

Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik müssen integriert gedacht werden

Die deutsche Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik muss daher künftig integriert gedacht werden. Sie benötigt konsistente Strategien über die verschiedenen Politikfelder und Ministerien hinweg. Mittel sollten für konkrete Vorhaben eingesetzt werden, die diesen beiden Hauptzielen gerecht werden. Auf wirtschaftspolitischer Seite gehört dazu, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Diese Arbeitsplätze entstehen aus privaten Investitionen. Solche Investitionen werden von Unternehmen getätigt, nicht von öffentlichen Verwaltungen. Künftig verfügbare Entwicklungsgelder müssten daher zu einem großen Teil in Instrumente gehen, die die Finanzierung solcher privaten Investitionen in Risikoländern ermöglichen. Das kann geschehen durch die direkte Bereitstellung von Risikokapital oder – noch effizienter – durch Garantien und Bürgschaften. 

Hier kommt übrigens die Agrarwirtschaft wieder ins Spiel. Denn die in Europa betriebene Gemeinsame Agrarpolitik ist – genauso wie entsprechende Politiken in den USA, Japan, der Schweiz oder Norwegen – einer der Gründe dafür, warum die Entwicklung zum Beispiel in Afrika, aber auch in Teilen Lateinamerikas oder Asiens so schleppend vonstattengeht. Es ist nachgerade zynisch, Entwicklungshilfe zu zahlen und im Gegenzug die Produkte der Empfängerländer nicht importieren zu wollen. Es ist zwar richtig, dass viele Anbieter aus Entwicklungsländern keine Zölle auf ihre Agrarexporte nach Europa mehr zahlen. Richtig ist aber auch, dass die EU den Agrarhandel vor allem durch nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie Verbraucherschutzauflagen oder Ursprungsregeln bremst. Eine Senkung der Agrarsubventionen und der offiziellen Entwicklungshilfe bei gleichzeitiger – wirklicher – Marktöffnung und weitergehenden Investitionsgarantien würde bei uns Mittel freisetzen und in Entwicklungsländern zur Dynamik beitragen.

Mittel für internationales Engagement generell zu streichen, ist somit der falsche Weg. Die Gelder müssen allerdings aus Vorhaben der traditionellen Entwicklungshilfe abgezogen und dorthin umgeleitet werden, wo sie positive Effekte für die Menschen in den Partnerländern erzielen und unseren Interessen nutzen: bei der Ermöglichung von Handel, Investitionen und bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in einer sicheren Umgebung. 

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Tomas Poth | Mi., 17. Januar 2024 - 15:36

Die Entwicklungshilfe ist unter anderem auch ein trojanisches Pferd, um über die Machthaber der empfangenden Länder, besser bei der Ausnutzung/Ausbeutung der Ressourcen beteiligt zu sein.
Entwicklungshilfe ist nicht selbstlos, sollte sie auch nie sein, sie ist aber immer auch ein Opiat zur Lähmung der eigeninitiativ geführten Selbstentwicklung!
Also drastische Kürzungen sind nötig. Es gibt afrikanische Stimmen die sagen, laßt uns einfach mal in Ruhe, wir kriegen das auch selbst hin.

Manfred Sonntag | Mi., 17. Januar 2024 - 15:38

Entwicklungshilfe? Das ist keine Entwicklungshilfe was Deutschland praktiziert. Es wird das Steuergeld der arbeitenden Bevölkerung, nicht das eigene Geld, von Vermögenden (Regierungen) an die unermesslich reichen Vermögenden der Entwicklungsländer übergeben. Am Beispiel Peru ist das sehr deutlich und ich kenne das Land. Es fließt Geld für Fahrradwege aus D in das Gebirgsland. Die Menschen haben in den meisten Fällen kein Geld um ein Fahrrad zu kaufen oder es wird ihnen unter dem Hintern gestohlen, weil bitterste Armut herrscht. Oftmals sind die Straßen so steil das selbst Extremsportler Mühe hätten diese zu befahren. Also können die Fahrradwege nur in den "Gated Communities", den herrlichen und absolut gesicherten Siedlungen der Reichen angelegt werden. Da kann der Geldadel und seine Gören dann mit dem Fahrrad stressfrei und gefahrlos zur Kaufhalle oder Kiosk fahren. Dafür müssen beispielsweise Rentner in Deutschland ihren Unterhalt mit Flaschensammeln aufbessern.

Romuald Veselic | Mi., 17. Januar 2024 - 15:39

zu streichen, ist allerdings der falsche Weg."

Meine Frage warum?

Ich persönlich u sicherlich subjektiv, diese Argumentation ablehne. Die USA/Kanada erhalten aus D keine Entwicklungshilfe, dennoch wird dort unsere Ware ununterbrochen u dankbar gekauft.

Marshall-Plan war eine Art v Turbo-Entwicklungshilfe für die zerstörten Ländern nach dem 2WK, wovon bis heute besonders D profitierte. Anderswo wiederum Japan, Taiwan u Südkorea.

Diese Trends, sich selbst aus der Misere zu ziehen, kann ich in Ländern des "Globalen Südens" nicht erkennen. Wie im Artikel erwähnt, keiner will in diesen Ländern investieren. Es muss dafür einen Grund geben. Der wird aber nicht erwähnt.

Wieso schafften es Singapur o Hongkong (bis 1997) Stadtstaaten ohne Naturschätze u Naturraum, auf die technologisch-industrielle Wohlstandsspitze?

Hängt dies etwa mit Mentalität u sozial-produktiver Einstellung? Vielleicht wird dort weniger gebetet oder gehasst, dafür mehr u fleißiger gearbeitet.

Dana Winter | Mi., 17. Januar 2024 - 15:56

...ist der Titel eines höchst lesenswerten Buches des deutschen Diplomaten Volker Seitz, der 17 Jahre lang in Afrika auf verschiedenen Posten, auch als deutscher Botschafter, war. Seine These ist, dass die deutsche Entwicklungshilfe von dem Credo "Mehr hilft mehr" lebt und davon trotz nahezu keinerlei Fortschritten nicht ablässt. Fakt ist, dass sich in fast allen Subsahara-Staaten die dortige sogenannte Elite die Taschen voll steckt und die Bevölkerung nach wie vor bettelarm ist.
Es mangelt unserer Hilfe an klaren Vorgaben, klarer Kontrolle und ggf. klaren Sanktionen. Es wäre besser, wenn die Entwicklungshilfe fast völlig eingestellt würde, dann müsste sich Afrika selbst helfen. Rohstoffreiche Länder wie der Kongo könnten breiten Wohlstand haben, sind sie aber nicht, alles fließt in die Taschen Weniger. Wie sagte damals schon Muhammed Ali: "Zaire (heute Kongo) muss mächtig sein. Ich habe noch nie so viele Mercedes gesehen."

Dana Winter | Mi., 17. Januar 2024 - 15:58

"Immer wieder finden sich Eskimos, die den Afrikanern sagen, was sie zu tun haben."
Zitat: Stanislaw Jerzy Lec

Ernst-Günther Konrad | Mi., 17. Januar 2024 - 16:12

"Sie müssen aber positive Effekte in den Partnerländern erzielen und unseren Interessen nutzen." Genauso ist es. Kein automatisiertes unterstützen mehr. Wenn Unterstützung dann direkt von jemand aus dem Ministerium (auch Botschaft) vor Ort geprüft und dann final vor Ort begleitet. Und ja. Quid pro quo. Wer von uns was will, muss uns auch etwas geben. Das muss nicht immer 1:1 vergleichbar sein, aber eben eindeutig uns nutzen. Keine NGOS mehr vor Ort finanzieren, sondern vertrauensvolle Begleitung durch eigenes Personal. Das muss doch möglich sein. Ein oder zwei solcher Planstellen sind maximal 98% billiger, wie dieses Geld aus dem Fenster werfen für Projekte, die im buchstäblich im Sand verlaufen. Es muss Schluss damit sein, das sich fremde NGOS die Taschen voll machen. Und wenn Länder etwas wollen , erwarte ich auch, dass die ihre Leute zurücknehmen ohne Wenn und Aber. Sonst ist eben jede Hilfe gestrichen, aus die Maus. Vorne weg mit China und Pakistan würde ich gleich anfangen.

Martin Janoschka | Mi., 17. Januar 2024 - 16:58

Weg daran vorbei, aber die beste Entwicklungshilfe ist immer noch fairer und freier Handel, somit der Abbau von handelsbarrieren.
Schafft in der EU diese handelshemnisse komplett ab, das hilft den Entwicklungsländern am meisten. Schafft das europäische schutzzollsystem ab und es geht vielen Ländern besser. Gleichzeitig erhöht sich der Wettbewerbsdruck in Europa. Win win auf beiden Seiten, da in der EU Druck auf die Preise ausgeübt wird.

Romuald Veselic | Do., 18. Januar 2024 - 10:27

Antwort auf von Martin Janoschka

mit unseren Bauern.
Oder noch besser, mit den französischen Bauern.

Ich hoffe, dass Sie gut laufen können.
Es wird schon jetzt gesucht, der beste "Wegläufer" des aktuellen Jahres.
😈🎈

Ingofrank | Mi., 17. Januar 2024 - 20:14

lässt es zu, dass seine eingezahlten Steuergelder, ohne auch nur eine messbare Gegenleistung, ausgegeben werden ?
Und da dämmerte es dem Michel & der
Micheline im Angesichts leerer Kassen und beide schalten ihr Hirn ein und dann, wird’s für die Ampel gefährlich und das Tod Schlag Argument alles Gegen Rechts wird aktiviert, ……wie lange das noch „zieht“ weiß ich nicht. Das es sich auf jeden Fall mehr & mehr abnutzt, zeigen die Demoskopen.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Tina | Do., 18. Januar 2024 - 08:22

Das verteilen der deutschen Steuergelder nimmt Ausmaße an die vom Steuerzahler nicht mehr hingenommen werden sollte.
Wieso wird nicht alle 3 Monate eine Auflistung dessen der Bevölkerung zugänglich gemacht?
Wieso wird nicht erwähnt, dass in den 2 Jahren Ampel Regierung ca.1150 neue Stellen in den Ministerien erschaffen wurden.
Was ist mit unseren Journalisten die das nicht aufdecken bzw. nicht diese Fehlsteuerung der Öffentlichkeit vermittel

Uli | Do., 18. Januar 2024 - 08:58

Weiterhin 1 Milliarde für das Mondprogramm der Inder? Hunderte Millionen ins Entwicklungsland China? 250 Millionen für Radwege irgendwo? Und unendlich so weiter. Insgesamt 60 Milliarden jährlich. Das sind 60000 Millionen! Und bei uns gehen Rentner Flaschensammeln. Das ist abartig, rücksichtslos und im höchsten Maße verwerflich Punkt

Kurt Janecek | Do., 18. Januar 2024 - 11:52

Entwicklungshilfe "JA" aber sie muss wirksamer eingesetzt werden.
Es darf nicht sein, dass Entwicklungshilfe im Sumpf der Korruption größtenteils bis ganz verschwindet.