Lebensweltlich entrückt: Nur ein Ei pro Woche wird empfohlen – und das am besten noch ohne Fett zubereitet (Foto aus dem Film „Harry meint es gut mit dir“) / dpa

Übergriffig oder nützlich? - Wenn der Staat auf den Teller guckt

Mit Interesse hat unser Genusskolumnist die neuen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gelesen. Teilweise findet er sie durchaus vernünftig. Doch es gibt berechtigte Kritik an dieser und an ähnlichen Veröffentlichungen.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Viele Menschen empfinden es als unangemessen und übergriffig, wenn Vater Staat in gewohnt paternalistischer Manier auf den Plan tritt, um sich bis weit hinein in die Privatsphäre in die Lebensgestaltung der Menschen einzumischen. Natürlich hat eine demokratisch legitimierte Regierung das Recht und auch die Aufgabe, einige Leitplanken für die Gesellschaft zu setzen, vor allem in Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und niemand wird ernsthaft bestreiten, dass dazu auch die ausreichende Bereitstellung von gesunden Lebensmitteln für alle hier lebenden Menschen gehört. Aber mit permanent erhobenem Zeigefinger die Einkaufszettel der Bürger zu kommentieren, eigentlich eher nicht.

Gegenwind für Öko-Taliban

Eine ganze Armada von ganz oder teilweise steuerfinanzierten Institutionen und NGOs hat sich einer mehr oder weniger brachialen Agenda verschrieben. Wer etwa regelmäßig Fleisch isst, zerstört nicht nur seine Gesundheit und muss mit schrecklichen Erkrankungen rechnen. Er ist auch unmittelbar mitverantwortlich für die Beschleunigung der Klimakatastrophe in Form von Dürre- und Flutkatastrophen. Generell sollte man gefälligst nur noch Bio-Produkte kaufen, denn mit jedem Liter konventioneller Milch und mit jeder Nicht-Öko-Kartoffel unterstützt man Tierquälerei, Bodenerosion und Vernichtung der Biodiversität. Zucker geht gar nicht und sollte ebenso wie Fleisch und Fleischprodukte mit höheren Steuern belegt werden. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

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Achim Koester | Sa., 23. März 2024 - 08:48

mag ja durchaus sinnvoll sein, nur wenn sie zur Zwangsmaßnahme wird, und/oder ideologisch begründet, regt sich, wohl nicht nur bei mir, entschiedener Widerstand. Weder lasse ich mir vorschreiben, überteuerte Bioprodukte zu kaufen (die sich ja nicht jeder leisten kann), noch von aggressiven jungen Veganerinnen meinen Fleischkonsum verbieten.
Mein Motto lautet: ein veganes Gericht schmeckt am besten, wenn man es unmittelbar vor dem Servieren durch ein Steak ersetzt.

Peter Sommerhalder | Sa., 23. März 2024 - 09:10

soll ich mich von Sachen ernähren auf die ich mich nicht freue?

Da kann mir der Staat aber ganz sicher kein schlechtes Gewissen einreden. Bin ziemlich sicher, dass es meiner Gesundheit nicht gut tuen würde, wenn ich mich nur noch von Sachen ernähren würde, auf die ich mich nicht freuen kann…

Thomas Romain | Sa., 23. März 2024 - 09:18

Solche Empfehlungen gab es schon immer. Interessanterweise haben sich die Empfehlungen im Laufe der Zeit teilweise ziemlich geändert. Als einen staatlichen Übergriff empfinde ich diese nicht. Und die Mehrheit offenbar auch nicht, da der Absatz bin Bio-Lebensmitteln zuletzt zT rückläufig war.
Was als Information noch fehlt: gesunde Ernährung ist sehr individuell. Einige vertragen keine Vollkornprodukte, andere schon. Für einige ist eine Kohlenhydratarme Ernährung gut, für anere ist ein hoher Proteinanteil eher gesundheitsschädlich. Usw.

Brigitte Miller | Sa., 23. März 2024 - 09:19

Ernährungsgesellschaften sollte man wenig bis gar nicht hören.
Die verbreiten Irrtümer , z.B. haben sie jahrzehntelang den Irrtum "gesättigte Fette sind schädlich" mit verbreitet . Mitterlerweile sind diese zu guten Teil rehabilitiert. "Am Besten nur hochungesättigte Fettsäuren". Dass solche Öle schnell oxidieren und dann schädlich sind, ebenso Transfette, davon hörte man nichts.
Wenn sie zuviel salziges , fettes, süsses nicht empfehlen, dann sollten sie Klartext reden und viele Segnungen der Nahrungsmittelindustrie anklagen.
Gutes Fleisch ist n i c h t ungesund.
Sie sollten empfehlen, frisch zu kochen und auf Qualität zu achten.
Prof.Dr.med.Spitz empfiehlt: "essen Sie nichts, das mit einem Etikett versehen ist". Damit kann man nicht viel falsch machen, auch wenn man sich nicht immer daran hält.

Stefan Bauer | Sa., 23. März 2024 - 09:22

Wenn eine Empfehlung nur "teilweise" stimmig ist, heißt das in der eigentlichen Analyse, dass sie in großen Teilen schlicht Müll ist.

Und DAS wäre eigentlich die Headline. Warum sind Journalisten mit ihren berechtigten, ja eigentlich notwendigen (!) Angriffen nur immer vorsichtiger, statt Klartext zu bringen, der eine Änderung bewirken könnte?

"Teilweise vernünftig" wird doch von diesen Fehl-Experten als Zustimmung gewertet werden - da muss man deutlicher gegenhalten!

Ernst-Günther Konrad | Sa., 23. März 2024 - 11:07

Einfach den Mist nicht mitmachen. Dem veganen Kram nicht verfallen. Wer sich fleischlos, vegetarisch, vegan, wie auch immer ernähren will, soll es tun. Nur lasst die anderen Menschen sich sie ernähren, wie sie es wollen. Wenn ich schon lese und höre, regional, Bio, nachhaltig, Co² arm und was auch immer noch so in der Werbung gelogen wird. Einfach nicht gegen seine Überzeugung mitmachen. Allen Foristen ein schönes Wochenende.

Brigitte Miller | Sa., 23. März 2024 - 11:42

Ernährungsgesellschaften sollte man wenig bis gar nicht hören.
Die verbreiten Irrtümer , z.B. haben sie jahrzehntelang den Irrtum "gesättigte Fette sind schädlich" mit verbreitet . Mitterlerweile sind diese zu guten Teil rehabilitiert. "Am Besten nur hochungesättigte Fettsäuren". Dass solche Öle schnell oxidieren und dann schädlich sind, ebenso Transfette, davon hörte man nichts.
Wenn sie zuviel salziges , fettes, süsses nicht empfehlen, dann sollten sie Klartext reden und viele Segnungen der Nahrungsmittelindustrie anklagen.
Gutes Fleisch ist n i c h t ungesund.
Sie sollten empfehlen, frisch zu kochen und auf Qualität zu achten.
Prof.Dr.med.Spitz empfiehlt: "essen Sie nichts, das mit einem Etikett versehen ist". Damit kann man nicht viel falsch machen, auch wenn man sich nicht immer daran hält.

Helmut Bachmann | Sa., 23. März 2024 - 12:17

Es gibt kaum eine Wissenschaft, die so viele widersprüchliche Aussagen macht, in so kurzer Zeit Paradigmenwechsel produziert und scheinbar kaum davon loskommt, den Durchschnittsmenschen (den es kaum gibt) als Maß aller Dinge zu nehmen. Wieso nur ein Ei pro Woche? Hat sich da die veraltete Ansicht gehalten, dass sonst zuviel Cholesterin zu sich genommen werden? Typisch deutscher Wunsch nach „Norm“ und Kontrolle.

Helmut W. Hoffmann | Sa., 23. März 2024 - 14:12

Mit Interesse lese ich immer die Kolumnen von Herrn Balcerowiak - so weit, so gut.
Mein Ernährungsgrundsatz lautet: Ich esse, was mir schmeckt: Fleisch, Wurst, Brot, Eier, Gemüse. Ernährungsberater, Ernährungswissenschaftler, Grüne Ernährungsvorschriften (etc.) sind mMn so überflüssig wie ein Kropf. Für wichtig halte ich nur, daß so viel wie möglich selbst gekocht oder zubereitet wird. Keine Fertigprodukte der Lebensmittelindustrie und beim Fleisch eine gute Auswahl vom Metzgerei-Fachgeschäft meines Vertrauens, dann sind auch Innereien, fettes Eisbein oder roher Schinken mit guter Fettkante für meine Gesundheit nicht abträglich (waren es zumindest nicht die letzten acht Jahrzehnte)

Gunther Freiherr von Künsberg | Sa., 23. März 2024 - 14:24

erleichtern das Leben erheblich. Endlich muss ich nicht mehr darüber nachdenken was ich essen darf ,wenn man mir sagt was ich essen soll. Ich bin dieser Regierung, äußerst dankbar, dass ich mit Regelungen konfrontiert bin, die mir nicht nur sagen was erlaubt oder verboten ist sondern die mir dazu noch mit dem Hinweis auf die Sozialkosten falscher Ernährung Gewissensbisse bescheren die ich nicht gehabt hätte, wenn man mir die freie Entscheidung über meinen Konsum selbst überlassen hätten, eine völlige sozialwidrige Freiheit.
Ich hab da aber ein Problem: Kaffee/Tee/Soja wird CO2-intensiv importiert. (Lieferkettengesetz Kinderarbeit?)
Bier Riesling oder ein Obstler werden vor Ort produziert und Schaden im Gegensatz zu Cannabis der Gesundheit. Darf ich diese Produkte trotzdem konsumieren? Mir geht es wie dem Esel der zwischen 2 Heuhaufen steht und sich nicht entscheiden kann bei welchem er fressen soll und er deshalb verhungert. Hier ist der Lebensmitteldiktator hilfreich. Oder?

Gerhard Lenz | Sa., 23. März 2024 - 14:49

So isses. Das ist auch bei Klimapolitik und Energiewende nicht anders.

Das Problem: Was Grüne als selbstverständlich ansehen, wirkt bei anderen als Bevormundung. Und sicherlich überfordern die Grünen manche Menschen mit ihren Erkenntnissen - und den daraus abgeleiteten Forderungen.

Wenn 99,9% der Wissenschaftler behaupten, die Menschen in der westlichen Welt äßen zu viel Fleisch, ist das sicher zutreffend. Den Menschen - in welcher Form auch immer - nahezulegen, ihren Fleischgenuß einzuschränken, wird dann vom Wutbürger sofort als Bevormundung a la "DDR 2.0" verstanden. Der Mensch handelt eben nicht grundsätzlich und immer vernunftbegabt. Sein in DE ansässiger Ableger entwickelte sich darüber hinaus in den letzten Jahren z.T. zum streitsüchtigen kleinen Spießer, der auch Vernünftiges sofort als Bevormundung ablehnt.
Selbst so nützliche Dinge wie die Lebensmittel-Ampel oder explizite Hinweise auf Zucker wurden in Bausch und Bogen verdammt - aus Prinzip, nicht aus Verstand!

der Untertan. Wissenschaft folgt nicht dem Mehrheitsprinzip. Der grüne Spießer von heute versteht die Wissenschaft nicht, er braucht die Anleitung und ist ewig auf der Suche nach Autoritäten.

sind offenbar ein treuer Genosse, dieser neuen Spießer.

Ingofrank | Sa., 23. März 2024 - 19:22

Wissen & vor allem Zeit …… die heute die wenigsten Menschen nicht haben bzw. aufwenden wollen.
Das beginnt um das Wissen von Produkten und Rezepten, die Kenntnis wann welche Produkte sesonal angeboten werden, und die Bereitschaft, statt Fertigprodukte zu konsumieren, Zeit in eine selbst gekochte Mahlzeit zu investieren.
Man gehe durch eine x beliebige Stadt und sehe durch die Fenster der Restaurants,, der Bistros, der Kaffees der Dönerläden und Imbisbuden.
Der überwiegende Teil ist „jung & dynamisch“ .
Denen ist’s egal wenn das Fertigschnitzel + Pommes mit Majo und einer halben, fast vergammelten Tomate mit wenigen Scheiben Gurken, mit einem „Massendressig“ überzogen , und das für gut 20€, in sich hineinschlingen.
Das gleich mit qualitativ hochwertigen Lebensmittel herzustellen braucht im Höchstfall 1/3 des Preises aber allerdings ne Stunde Lebenszeit.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik