Revolte im Anzug / Foto: Imago Images

Männermode - Revolte im Anzug

Der deutsche Mann ist miserabel gekleidet. Das ist weltweit kein Geheimnis. Doch gegen Sneakers und Hoodies macht sich langsam erster Widerstand breit – mit Nadelstreifen, Einstecktuch und Bügelfalten.

Autoreninfo

Daniel Haas lebt als freier Autor in Hamburg. Zuletzt war er Kulturkorrespondent der NZZ in Berlin.

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Das Erscheinungsbild des deutschen Mannes im öffentlichen Raum ist beschämend. Zwischen 20 und 60 dasselbe Bild: geplusterte Sportjacken, Jeans und Sneakers. Anzüge werden nur noch in Privatbanken getragen. Die Krawatte: weitgehend ausgestorben. Die Fliege gilt als kurioses Accessoire von kauzigen Bibliothekaren. Der geputzte Lederschuh kommt nur im Ausnahmefall zum Einsatz, bei Beerdigungen, Hochzeiten und, sollte die Branche extrem konservativ sein, beim Vorstellungsgespräch. 

Festliche Anlässe sind kein Anlass mehr zu festlicher Garderobe. Wer in den bundesdeutschen Philharmonien das Publikum besichtigt, trifft auf ein Defilee der Turnschuhmode. Ein Opernbesuch im Sweatshirt ist kein Vergehen mehr, sondern ästhetischer Standard. Hosen mit Bügelfalten trägt allenthalben das Personal. Saalordner sind grundsätzlich besser gekleidet als Theatergäste.

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Christoph Kuhlmann | Sa., 9. März 2024 - 17:58

Wieviel Zeit wenden Sie pro Tag für An- und Umkleiden auf? Mehr als frei Minuten?
Wie oft werden ihre Jackets und andere Kleidungsstücke gereinigt, die nicht Maschinenwaschbar und bügelfrei sind? Haben Sie kein hygienisches Problem damit?
Haben sie wirklich einen Strick äh Schlips um den Hals. Ist das nicht gefährlich? Wollen sie wirklich zurück in die 50er? Sind aggressive Spießer, die von der Mafia abhängig sind, wirklich Vorbilder für sie? Haben sie etwas gegen die Ideale der französischen Revolution?

Bettina Jung | So., 10. März 2024 - 16:42

Antwort auf von Christoph Kuhlmann

wollen Sie behaupten, dass die Menschen in ihrem "waschbaren Aufzug" hygienisch sind? Die meisten haben noch nicht mitbekommen, dass die Klamotten gewechselt und gewaschen werden müssen, zumal wenn diese Leute auch noch rauchen und sich offenbar nicht täglich duschen. Ich persönlich kleide mich gerne gepflegt und chic, dabei muss ich ein Strickkleid nicht nach jedem Tragen waschen. Insgesamt gebe ich dem Autor recht - das Erscheinungsbild der Menschen ist erbärmlich.

Thomas Romain | Sa., 9. März 2024 - 18:05

Einen Nadelstreifenanzug pauschal als Beispiel guter Kleidung anzuführen ist nun wirklich nicht mehr modisch zeitgemäß. Und eine Fliege sah schon vor 25 Jahren mehr nach Karneval als nach Mode aus.
Ich stelle mir gerade jemanden im Nadelstreifenanzug mit Hemd und Fliege vor....
Wer solche Ratschläge verteilt, trägt dazu bei, dass Deutsche Männer auch weiterhin als schlecht gekleidet durchgehen werden.

Werner Kahn | Sa., 9. März 2024 - 19:36

Das verlotterte Erscheinungsbild des deutschen Mannes im öffentlichen Raum spiegelt den Zustand unserer Gesellschaft.

Henri Lassalle | Sa., 9. März 2024 - 20:07

aber dann doch bitte hellbraune zum dunklen Anzug - das sieht man oft in D. Aber ansonsten: Kunststoff-Sportschuhe, gerne auch schon etwas abgetragen und schmuddelich, oder bei Frauen: Seltsame Klotzer wie aus einem Future-Film.
Es stimmt leider: Der Deutsche und sein Outfit: Keine Glanznummer an Eleganz. Hingegen haben die Französinnen das im Blut: Die Kluft kann einfach sein, aber die kriegen das mit natürlicher Eleganz hin, da staunt man oft - Frage der Sensibilität.
Ein Gentleman sollte stets auf die Qualität und Harmonie seiner Hülle achten, grosses Augenmerk auf Schuhe (englische, ital., franz....), stets blank geputzt, sowie das Uhrwerk. Lieber eine "Savonette" aus Opas Bestand, aber aus Gold, oder eine gute mechanische Armbanduhr. An diesen beiden Dingen wird beurteilt. Ich spreche aus Erfahrung.
Und man beachte: Nobody is perfect, man kann immer noch an sich und seinem Stil arbeiten.

Thomas Hechinger | Sa., 9. März 2024 - 20:15

Herrlich und polemisch geschrieben, werter Herr Haas. Und dennoch haben Sie mich nicht überzeugt. Wobei ich Ihnen bis zu einem gewissen Punkt sogar recht gebe: Mit seinem Äußeren sollte Mann nicht nur sich selbst seinen Mitmenschen präsentieren, sondern auch seinem Gegenüber Respekt erweisen. Mann sollte nicht stinken, nicht zerzaust oder zerfleddert sein oder durch auffällige oder aufreizende Accessoires Ärgernis erregen. Alles andere ist unwichtig. Gauner erkennt man irgendwann, auch wenn sie Anzug und Krawatte tragen. Oft wollen Männer damit nur mehr scheinen, als sie sind. Die richtige Mischung aus Besonnenheit und Tapferkeit, aus Ernsthaftigkeit und Witz, aus Klugheit und Stärke macht den Mann aus. Der Anzug hilft da am wenigsten. Mir fallen als Beispiel die Herren Anzugträger Philipp Amthor und Schlabberlook Kevin Kühnert ein. Und ich überlege mir gerade, welcher von beiden schrecklicher ist. Wenn ich es herausgefunden habe, melde ich mich wieder.

Ingofrank | Sa., 9. März 2024 - 20:30

nur für „Mann“ sondern auch für „Frau“ ist, so verkommen sind die Umgangsformen.
Ich würde nie und nimmer auf die Idee kommen, eine mir unbekannte Person, egal in welchem Alter mit „Du“ anzusprechen. Ich empfinde es als mehr als respektlos, wenn ich in einem Kaffee oder einer Gaststätte vom Bedienpersonal, von vorwiegend jungen Frauen, geduzt werde. Für manche alte Daddy‘s mag das hipp sein, für mich stellt sich ehr die Frage nach Kinderstube, Anstand und Respekt.
Ins politische Kabarett gehe ich klassisch legier, mit Jeans, Hemd & gegebenenfalls Wester. In Oper, Schauspiel mit Hemd & Jackett. Turnschuhe trage ich überhaupt nicht …..noch nicht mal in meiner Freizeit.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Norbert Heyer | So., 10. März 2024 - 07:29

Wenn man Sport-Diskussionen verfolgt, bemerkt man einen eindeutigen Trend: Die Sakkos der Herren sind eindeutig zwei Nummern zu klein, nur Untergewichtige haben eine Chance, die Jacke auch zu knöpfen. Als Hose kommt
eindeutig die Jeans infrage, teilweise mit vorgearbeiteten
Löchern oder rustikale Cordhosen
im Landhaus-Stil. An den Füßen
tragen sie weiße Turnschuhe in eintöniger Vielfalt. Krawatten tragen nur noch Männer jenseits der 80 - oder sie sind Nachrichten- Verkünder im Fernsehen. Dagegen erlebt das gute alte „Strunztuch“ eine Wiedergeburt, einfach schlicht in weiß oder auch knallig bunt. Im Anzug sieht man eugentlich nur noch junge Männer, die an einem Fußball-Turnier teilnehmen. Während des Turniers sehen wir die Herren nur in diversen Trainingsanzügen, mit der wichtigsten Botschaft, wer vor dieses Produkt verantwortlich ist. Deutscher Fußball und Männermode haben aber ein
verbindendes Element: Beide befinden sich auf der Talfahrt in die absolute Bedeutungslosigkeit.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 10. März 2024 - 08:41

vor einem Amt oder gegenüber einer Gesellschaft, aber da darf es noch Raum geben für das eigene Wohlbefinden.
Anzüge stehen nicht jedem Mann, sowenig wie Kleider und Röcke jeder Frau. Frau Merkel fand ich für ihre körperlichen Verhältnisse immer sehr gut gekleidet.
Stil finde ich schön, wenn auch nicht grundsätzlich einzufordern.
Es gibt aber doch soviele gute Modelabels, z.B. auch das von Rocket Beans.
Meiner Meinung nach kann man sich überall damit sehen lassen.

Monique Brodka | So., 10. März 2024 - 08:50

Hoffentlich kehrt sich das Blatt! Es ist mittlerweile unerträglich wie ungepflegt Menschen rumlaufen. Nicht nur die Männer, Frauen ebenso. Das konnte man schon vor 40 Jahren beobachten. Da brachten die Mamas ihre Kinder in den Kindergarten und hatten nicht mal ihre Haare richtig gekämmt. Ich persönlich finde, dass die Männer mehrheitlich einigermaßen besser gekleidet sind als die Frauen. Ich habe es, mit 4 Kindern, geschafft immer gepflegt zu sein. Auch daheim. Dieser „ist mir egal Look“ finde ich, ist eine Beleidigung gegenüber seinen Mitmenschen.

Martin Janoschka | So., 10. März 2024 - 09:28

Ich bin sehr froh über diese Entwicklung. Kleidung soll in erster Linie zweckmäßig sein. Man, was habe ich es gehasst, als ich jünger war, eine Krawatte tragen zu müssen. Seit ich etwa 45 bin ist der strick weg und wird auf Beerdigungen getragen.
Keine engen Schuhe mehr, mit schmerzenden Füßen, kein verprassen meines Einkommens mehr für "Arbeitskleidung ". Und in die Philharmonie gehe ich regelmäßig, um Musik zu hören und nicht um gesehen zu werden. Anzug und Krawatte beschränken sich da in der Tat fast nur noch auf über 80 jährige, die einem wie aus einer anderen Welt vorkommen.
Es gibt von meinem Vater Bilder aus der Zeit Anfang der 70er, wie er mit Anzug und Krawatte in den Wald geht. Er käme heute niemals mehr dazu. Und einen Banker ohne Schlips finde ich seriöser als Gauner in nadelstreifen.
Zeiten ändern sich, gut so.