„Spätrömische Dekadenz“ / Illustrationen: Alisa Mellon Bruce Fund

Titelgeschichte im März - Von den Römern lernen, heißt überleben lernen

Die vielfach gezogenen Parallelen zwischen der westlichen Staatenwelt von heute und dem dekadenten Rom der späten Antike gehen an der Sache vorbei. Dennoch hat die Epoche viele Bezüge zur Gegenwart.

Michael Sommer

Autoreninfo

Michael Sommer lehrt an der Universität Oldenburg Alte Geschichte und moderiert gemeinsam mit Evolutionsbiologe Axel Meyer den Cicero-Wissenschafts-Podcast

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Früher war alles besser. Die Politiker waren rechtschaffen. Sie waren kompetent. Die Bürger prosperierten. Der Staat wurde gut regiert, von Leuten mit Autorität, die wussten, was sie taten. Wie anders ist das heute! Maß und Mitte sind abhanden­gekommen, jeder denkt an sich zuerst. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Korruption wuchert. Die politische Elite: eine skrupellose Oligarchie. Sie treibt nichts als Macht- und Geldgier, hat sich dem Volk entfremdet und macht, was sie will. Die Republik ist auf einer schiefen Ebene.

Der so redet, ist kein Politiker oder Publizist unserer Tage, die Republik nicht die Bundesrepublik. Der schwarzseherische Blick auf die Zeitläufte ist mehr als 2000 Jahre alt, scheint aber kaum etwas von seiner Aktualität verloren zu haben. Um 40 v. Chr., Caesar ist gerade ermordet worden, schreibt Sallust – Ex-Politiker, Immobilienmagnat und Gefolgsmann des Diktators – seinen Standesgenossen im Senat harsche Kritik ins Stammbuch: „So wurde alles in zwei Teile zerrissen, der Staat, der die Mitte gebildet hatte, zerfleischt.“

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Urban Will | So., 17. März 2024 - 08:42

Schöne Sonntagslektüre. Und was will uns der Autor sagen? 500 Jahre. Ist das in etwa der Zeitraum, den ein einst überlegenes System „überleben“ kann? Vor ca. 500 Jahren begannen die in vielen Bereichen überlegenen Europäer, große Teile der Welt zu kolonialisieren und dieser ihren Stempel aufzudrücken.
Die Episode mit Apollinaris so um 470 war interessant. Innerhalb von nicht mal 10 Jahren waren die Straßen unsicher geworden. War man gezwungen, sich gegen Fremde mit Bürgermilizen zu erwehren.
So kurz denkt man an unsere Gegenwart, wo immer mehr „No Go – Areas“ in den Städten entstehen.
Und wenn man sich anschaut, mit welch horrender Geschwindigkeit wir uns politisch - kulturell ins bodenlos Naive (Gender, geschl. Selbstbestimmung, Klimapanik, etc.) , gepaart mit Gesinnungschauvinismus manövrieren und zusehen, wie anderswo (Asien) die Kurven nach oben zeigen, zeigen sich schon Parallelen ab. Vielleicht sind 500 Jahre ja auch mal genug. Vielleicht sind jetzt einfach mal andere dran.

Ingofrank | So., 17. März 2024 - 08:57

Wenn man von wem auch immer lernen will, setzt „Grips“ im Kopf voraus und dieser rekrutiert sich aus Bildung, Ausbildung & Erfahrung nicht zuletzt von Arbeit zumindest sinnvoller Beschäftigung. Sehen wir uns die Kühnerts, Langs, Kubans, KGE und viele viele andere Entscheidungsträger der politisch, uns führenden, Kaste an ? Zu beschreiben in einem Wort: Unfähig ! ! & Lernresistent ! !
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Norbert Heyer | So., 17. März 2024 - 12:34

Kein Reich hatte und hat eine längere Geschichte als Rom. Über 1200 Jahre von den Anfängen bis zum endgültigen Abschied als Weltmacht vergingen 1200 Jahre. Viele Dinge haben bis auf den heutigen Tag ihre Bedeutung erhalten: Römische Gesetzgebung, Staatskunst, Bauwerke, Kriegsführung und Finanzwesen. Was führte zu ihren Untergang? Die neue christliche Religion, die Niederlage einer Legion im Feindesland gegen einen in Rom ausgebildeten Heerführer? Sind da nicht Anklänge zu unserer Zeit? Migration, Religion, mangelnde Verteidigungsfähigkeit, politische Irrwege, wirtschaftlicher Niedergang und Entstehung neuer Wirtschaftsräume (BRICS)? Alles genau die gleichen Zeitenwende wie im alten Rom. Wird Europa eines Tages den gleichen Museums-Charakter haben, wie das heutige Rom? Schon „Geier Sturzflug“ mahnte schon vor Jahrzehnten an, Europa doch zu besuchen, solange es „noch steht“. Rom hat der Welt viel gegeben, Europa aber noch viel mehr - bis auf den heutigen Tag-und hoffentlich noch länger

Naumanna | So., 17. März 2024 - 12:56

interessanter Artikel! Mich fasziniert vor allem, dass die lateinische Sprache den Untergang Roms um ca Tausend Jahre überdauert hat ... bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Dissertationen in Europa in Latein verfasst und noch heute ist Latein wichtig für das Medizinstudium etc ... Lingua Franca war Latein auf alle Fällte bis ins 16. Jahrhundert in Europa ... Ja, und warum Rom untergegangen ist? Darüber gibt es viele Spekulationen. Vielleicht ist Rom gar nicht untergegangen, sondern hat sich nur ins Mittelalter verwandelt ... Überlebenskünstler waren die Römer wirklich - Kaiser Konstantin hat das Christentum zur Staatreligion erhoben, als ihm klar wurde, dass er diese Ideologie gut zur Herrschaftsausübung nutzen konnte ... clever ... das Imperium Romanum hat sich ins Mittelalter transformiert ... diese Theorie halte ich auch für plausibel - es gab keinen Untergang des Römischen Reiches ... vielleicht sollte man noch erwähnen dass das HRR der Nachfolger wurde und sich auch so verstan

Volker Naumann | Mo., 18. März 2024 - 09:58

Antwort auf von Naumanna

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation ( lateinisch Sacrum Imperium Romanum Nationis Germaniae ), war vom Spätmittelalter bis 1806 die offizielle Bezeichnung.

Die positiven Bewertungen zu allen wissenschaftlichen usw. usf. Leistungen
der Römer teile ich vorbehaltslos mit Ihnen Frau Naumanna.

Eine Sache sehe ich doch definitiv anders, Rom ist untergegangen
und leider auch Konstantinopel, über die Gründe kann man wahrlich
viel und lange diskutieren aber wahrscheinlich kommen alle großen
Reiche in der Menschheitsgeschichte irgendwann an solch einen Punkt.

MfG

Naumanna | So., 17. März 2024 - 13:02

Also sind wir alle Römer in Europa. Dieser Gedanke gefällt mir gut. Man sollte wieder Latein lernen mit einer vereinfachten Grammatik - das wäre auch eine "Überlebenskunst" in Sachen Latein ...
Alle sind wir Metamorphosen des Römischen Reiches - dann wird das auch was mit der Europäischen Union, wenn das verinnerlicht wird.
Wir - die Kinder Roms ... führen das Erbe weiter ... oder so ...
Schreiben Sie doch bitte mal ein Buch darüber, Herr Michael Sommer, wenn Ihnen der Gedanke gefällt ...

Christoph Kuhlmann | So., 17. März 2024 - 14:51

Es war in Korruption und Bürgerkriegen verbrannt. Die Zentralmacht auf konkurrierende
Soldatenkaiser übergegangen. Die Sicherheit war weder im Inneren zu gewährleisten als an Grenzen des Imperiums. Je mehr Einfälle es gab, desto größer die Tendenz regionale Machthaber einzusetzen. Die Truppen bestanden ja sowieso kaum noch aus Römern. Im Grunde kämpften Romanisierte und germanische Verbündete mit neuen Großstämmen, zu deren Bildung die Germanen zunehmend fähig waren. Rom war schon 1-2 Jahrhunderte vor Beginn der Völkerwanderung ein morsches Gebilde. Das heutige Italien war nicht mehr in der Lage sich selbst zu ernähren, weil seine Bauern als Legionäre in alle Welt verstreut wurden und das Patriziat sich das Land der Abwesenden aneignete um sie mit Sklaven zu bewirtschaften. Eine inneffektive, unwirtschaftliche Produktionsform, wie sich bald herausstellte. Daraus ergab sich das Motiv germanischer Stämme in den Süden zu ziehen um ihre gewohnte Subsistenzwirtschaft zu betreiben.

Martin Beckmann | So., 17. März 2024 - 19:30

Das geht nicht ohne Satire....
Das ist in sofern eine Idee, dann können gewisse Früh- oder Spätpubertierende oder Testosteron übersteuerte Exemplare ihre Messerkenntnisse sinnvoller anwenden. StrackZimmermann ist bekannt für erhabene Ideen und kann ihre Taurusshirts sicher in großer Zahl an dem Mann/Frau bringen. Diese zukünftigen Schießenden/Stechenden würden auch der Kölner Domplatte und dem Görlitzer Park entnommen. Für alle eine Win-Win-Situation!

Uli | Mo., 18. März 2024 - 08:31

"Von den Römern lernen, heißt überleben lernen" Nun, das was von den Römern übrig geblieben ist, ist auch die Erkenntnis, dass Dekadenz zum Untergang führt. Deutschland belegt das gerade in überzeugender Weise.